SLAPPs – Wenn Unternehmen mit dem Presserecht drohen

Ein Fleischkonzern verschickt Abmahnungen wegen angeblich falscher Tatsachenbehauptungen, ein Energieversorger verlangt von einem Aktivisten eine Vertragsstrafe von mindestens 50.000 € wegen eines Tweets: Unternehmen nutzen mitunter rechtliche Mittel, um Kritikerinnen und Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Avatar von Dr. Jasper Prigge, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Und sogar der Staat schreckt vor Klagen gegen die Zivilgesellschaft nicht zurück. So versuchte das Bundesamt für Risikobewertung die Veröffentlichung eines Gutachtens zum Pflanzengift Glyphosat unter Berufung auf das Urheberrecht zu unterbinden.

SLAPPs – Auch in Deutschland ein Problem

In den USA ist das Vorgehen unter dem treffenden Namen „Strategic Lawsuits Against Public Participation“ bekannt. Die Kurzform für die Versuche, die andere Seite mit juristischen „Ohrfeigen“ zum Schweigen zu bringen, lautet passenderweise „SLAPP“. Nicht immer sind die Forderungen juristisch unbegründet, aber in jedem Fall haben sie einen einschüchternden Effekt. Weil SLAPPs ein strategisches Mittel in einer Auseinandersetzung um für die Öffentlichkeit wesentliche Themen sind, handelt es sich nicht zuletzt um Ohrfeigen für die Demokratie.

SLAPPs sind darauf gerichtet, öffentliche Partizipation zu schwächen, indem sie Kritiker:innen einschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Ob eine Auseinandersetzung dieses Ziel verfolgt, dafür gibt es Indizien, die unter anderem die „Coalition Against Slapps in Europe“ (CASE) veröffentlicht hat, unter anderem:

  • Das Vorgehen ist ungewöhnlich aggressiv oder unverhältnismäßig
  • Statt Organisationen werden gezielt Einzelpersonen in Anspruch genommen
  • Kosten werden bewusst in die Höhe getrieben
  • Das Verfahren ist Teil eines größeren strategischen Vorgehens
  • Das Unternehmen nutzt seine Finanzkraft aus
Avatar von Dr. Jasper Prigge, LL.M.

Wir geben SLAPPs keine Chance – und legen uns dafür auch mit skrupellosen Unternehmen, Adelshäusern oder rechten Parteien an.


Rechtsanwalt 

Schon kleine Fehler führen zur Abmahnung

Die Meinungsfreiheit schützt das Verbreiten von Meinungen und wahren Tatsachenbehauptungen. Unwahrheiten müssen hingegen auch Unternehmen nicht hinnehmen – und hier ist der Ansatzpunkt. In Abmahnungen geht es mitunter um kleinere Unrichtigkeiten in Artikeln oder Pressemitteilungen. Denn es kommt letztlich nicht darauf an, ob die Äußerung für die öffentliche Darstellung von großer Bedeutung ist oder nicht.

Das Kalkül ist: Wer nach einer Abmahnung nicht aufhört, wird es spätestens nach der dritten oder vierten. Denn mit jedem Anwaltsschreiben steigt das Kostenrisiko. Dabei machen sich Unternehmen mehrere Umstände zunutze:

  • Die Forderungen betreffen zumeist nicht eine Organisation, sondern Kritiker:innen werden gezielt persönlich in die Haftung genommen.
  • Berechtigte Abmahnungen lösen einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten aus, die wegen der eher hohen Gegenstandswerte im Presserecht mehrere hundert bis tausend Euro betragen.
  • Die Betroffenen scheuen häufig aus finanziellen Gründen ein gerichtliches Verfahren.
  • Unternehmen beauftragen zumeist spezialisierte Anwaltskanzleien und sind besonders dann im Vorteil, wenn die Gegenseite darauf verzichtet, einen Anwalt für Presserecht zu beauftragen.

Da Aktivist:innen nicht jede Veröffentlichung vorab juristisch umfassend prüfen lassen können, ist es Anwaltskanzleien oftmals ohne Schwierigkeiten möglich, Fehler zu finden.

Juristische Attacken auf die Medien

Aber nicht nur die Kritiker:innen selbst stehen unter Beschuss. Auch Medien werden für ihre Berichterstattung angegriffen, um eine Sache möglichst klein zu halten. In unserer Praxis haben wir hiermit immer wieder zu tun: Journalistinnen und Journalisten werden wegen angeblicher Verstöße gegen Sorgfaltspflichten abgemahnt, zum Beispiel weil das Unternehmen vor der Veröffentlichung nicht schriftlich um Stellungnahme gebeten wurde.

Gerade bei lokalen Auseinandersetzungen kann dies dazu führen, dass gar nicht mehr berichtet werden kann. Denn kleinere Onlinezeitungen oder auch regionale Tageszeitungen haben nicht das Geld, um langwierige Prozesse zu führen. Dabei wäre es so wichtig, wie einer unserer Fälle zeigt:

Eigenbedarf vorgetäuscht

Unserem Mandanten war wegen angeblichen Eigenbedarfs der Mietvertrag für seine Wohnung gekündigt worden. Nachdem er sich mithilfe eines Bündnisses öffentlich äußerte, wurden sowohl er als auch die Vertreter:innen des Bündnisses als auch berichtende Medien abgemahnt. Die Medien gaben strafbewehrte Unterlassungserklärungen ab, während unser Mandant durch uns die Ansprüche zurückweisen ließ. Im folgenden Räumungsprozess vor dem Amtsgericht wurden die zahlreichen Merkwürdigkeiten in Bezug auf die Kündigung thematisiert. Die Berichterstattung blieb allerdings weitgehend aus. Bis heute wurden unsere Mandanten übrigens nicht wegen ihrer Äußerungen gerichtlich in Anspruch genommen.

Dabei sollte klar sein, dass nicht jede juristische Maßnahme gegenüber Medien verwerflich ist. So ist es völlig legitim, wenn sich Einzelpersonen vor einer Bloßstellung ihrer Person durch die Boulevardpresse wehren, beispielsweise wenn sie rechtswidrig einer Straftat verdächtigt oder lächerlich gemacht werden. Bedenklich wird es allerdings dort, wo Journalistinnen und Journalisten aus Angst vor den Konsequenzen nicht mehr über Themen wie Korruption, Umweltzerstörung oder Lohndumping schreiben.

Was tun gegen SLAPPs?

Die Methoden von Kanzleien, die sich auf „Reputationsmanagement“ spezialisiert haben, hat eine Studie der TU Dortmund mit Unterstützung der Otto Brenner Stiftung und der Gesellschaft für Freiheitsrechte untersucht. Fazit der Autoren: Das Unterlassen juristischer Gegenwehr durch Medienunternehmen schwächt die Meinungs- und Pressefreiheit.

Der beste Schutz gegen juristische Angriffe ist, bereits im Vorfeld die Angriffsfläche so klein wie möglich zu halten. Publikationen sollten Satz für Satz auf ihren Wahrheitsgehalt recherchiert werden. Gibt es für eine Aussage keinen ausreichenden Beleg, sollte auf sie verzichtet werden.

Aber Achtung: Eine eigene Recherche ist notwendig, denn auch Blogs und vergleichbare Veröffentlichungen müssen die journalistischen Sorgfaltspflichten einhalten. Es reicht nicht aus, sich auf andere Medienberichte zu berufen. Gegebenenfalls ist dem betroffenen Unternehmen sogar eine Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Zudem müssen die Strategien von Unternehmen als solche erkannt und auch kommuniziert werden. Die Zivilgesellschaft muss sich vernetzen und Einzelne bei Angriffen unterstützen.

Im Falle einer Abmahnung gilt es, besonnen und schnell zu handeln, denn die Strategie des Kleinhaltens kann auch nach hinten losgehen. Wenn sich die Betroffenen zur Wehr setzen und zeigen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen. SLAPPs sind eine Gefahr und deshalb ist es richtig, dass die EU mittlerweile darüber diskutiert, wie man sie erschweren kann.

War dieser Beitrag hilfreich für Sie?

Avatar von Dr. Jasper Prigge, LL.M.
Über den Autor
Rechtsanwalt 


Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert