Trans-Rechte: Berufung von Reichelt-Unternehmen erfolglos

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  • Reichelt-Unternehmen bezeichnete Trans-Frau als „Mann“
  • Historisches Urteil: Landgericht nimmt Verletzung von Persönlichkeitsrecht an
  • Oberlandesgericht weist Berufung zurück

Mit Urteil vom 06.07.2023 verpflichtete das Landgericht Frankfurt am Main die Rome Medien GmbH, ein von Ex-BILD-Chefredakteur Julian Reichelt geführtes Unternehmen, und deren Autorin Judith Sevinç Basad, es zu unterlassen, die Trans-Frau Janka Kluge in einem Artikel als „Mann“ zu bezeichnen. Damit hatte erstmals ein Gericht entschieden, dass sich Betroffene gegen Misgendern presserechtlich zur Wehr setzen können. Rome Medien legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein – und unterlag nun im Eilverfahren endgültig. Bereits mit Beschluss vom 21.12.2023 hatte das Oberlandesgericht einen Hinweis erteilt.

Der Pressesenat des Oberlandesgerichts hat die Berufung mit Beschluss vom 15.02.2024zurückgewiesen. Die Bezeichnung als „Mann“ stelle eine herabsetzende Meinungsäußerung dar.

Wie bereits im Beschluss vom 21.12.2023 dargelegt, erhält unter Berücksichtigung der Struktur des Satzes und der dort verwendeten stilistischen Mittel, in dem die Bezeichnung „Mann“ verwendet wird, für den Leser diese Bezeichnung eine herabwürdigende Bedeutung. Dies wird insbesondere für den Leser bewirkt durch die im Verlauf des Beitrags erfolgte gewisse rhetorische Steigerung der von der Autorin für die Klägerin verwendeten Bezeichnungen, die in dem Schlusssatz in der Formulierung „Mann“ gipfelt. Durch die überdies in dem Satz erfolgte Gegenüberstellung der jungen Doktorandin, die nach Auffassung der Autorin das Opfer ist, und dem über 60-jährigen „Mann“, der nach der Auffassung der Autorin die ihm von der Stiftung gewährte finanzielle Unterstützung nicht verdient hatte, und in den unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang mit einer Beteiligung am „Frauenhass“ gerückt wird, wird eine deutlich herabsetzende Bedeutung dieses Begriffes im konkreten Zusammenhang für den unvoreingenommenen Leser vermittelt.

Ein bewusster Einsatz der Bezeichnung „Mann“ für die Verfügungsklägerin durch die Autorin darf überdies unabhängig von den obigen Auslegungserwägungen unterstellt werden, da eine versehentliche Verwendung aufgrund des Umstandes, dass der Autorin die Lebensgeschichte und das biologische Geschlecht der Klägerin ausweislich des Beitrags bekannt war, ausgeschlossen werden kann.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.02.2024 – 16 U 93/23

Der Senat ist der Auffassung, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin schwerwiegend ist:

Diese Meinungsäußerung ist entgegen der Auffassung der Berufung auch unzulässig. Zwar ist der Berufung zuzugeben, dass grundsätzlich auch scharfe und abwertende Äußerungen von der Meinungsfreiheit geschützt sein können, selbst wenn der Betroffene sie als ehrschmälernd empfindet. Allerdings ist im Rahmen der bei ehrverletzenden Äußerungen vorzunehmenden Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bezeichnung der Klägerin als „Mann“ um einen Eingriff in einen zentralen Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin handelt, was zu ihren Gunsten besonders zu gewichten ist. Denn mit dieser Bezeichnung wird ihr ihre seit Jahrzehnten nach außen gelebte geschlechtliche Identität abgesprochen, was von ihr nicht hinzunehmen ist.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.02.2024 – 16 U 93/23

Hierzu erklärt Rechtsanwalt Dr. Jasper Prigge, der Janka Kluge im Verfahren vertritt:

Misgendern greift schwerwiegend in Persönlichkeitsrechte ein – und ist in diesem Fall rechtswidrig. Rome Medien wird also voraussichtlich nicht mit der fadenscheinigen Begründung durchdringen, man habe nur auf das biologische Geschlecht von Janka Kluge hinweisen wollen. Bewusstes Misgendern ist noch immer alltäglich und es hat große Auswirkungen auf die Betroffenen. Der Kern ihrer Persönlichkeit wird mitunter permanent infrage gestellt. Das Verfahren ist von großer Bedeutung, denn es zeigt, dass sich Betroffene wehren können.


Entscheidung im Volltext

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.02.2024 – 16 U 93/23

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Rechtsanwalt Dr. Jasper Prigge