- X löscht regierungskritischen Beitrag über in China bekannten Influencer aus Deutschland wegen angeblicher Verletzung von Persönlichkeitsrechten
- Landgericht Berlin II: Posting ist von der Meinungsfreiheit gedeckt
- Der Plattform droht nun ein Ordnungsgeld, sollte die Löschung nicht rückgängig gemacht werden
Die Journalistin Yutong Su hat sich vor dem Landgericht Berlin erfolgreich gegen die Löschung eines politischen Beitrags auf der Plattform X gewehrt. Der Betreiber, die Twitter International Unlimited Company, hatte einen satirisch-kritischen Beitrag über einen in China bekannten Influencer unter Verweis auf eine angebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung gelöscht. Das Gericht stellte nun klar, dass der Post durch die Meinungsfreiheit geschützt ist.
Zum Hintergrund des Verfahrens:
In dem streitgegenständlichen Post berichtete Su darüber, dass der Influencer für seine unkritische Haltung zur Kommunistischen Partei Chinas mit einem satirischen Preis ausgezeichnet worden war. Der betroffene Influencer hatte zunächst vor dem Landgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung gegen X erwirkt.
Zusätzlich versuchte er vor dem Landgericht Köln, direkt gegen Yutong Su vorzugehen, nahm seinen Antrag jedoch nach einem gerichtlichen Hinweis zurück. Das Verfahren in Frankfurt wurde ebenfalls durch Antragsrücknahme beendet, nachdem Su durch eine Nebenintervention einen Widerspruch eingelegt hatte. Auch wenn die Gerichtsentscheidung gegen X ergangen war, konnte Su gegen diese vorgehen, da sie als Betroffene des gelöschten Beitrags ein eigenes Interesse an dessen Wiederherstellung hatte.
Obwohl der Influencer seine Anträge zurückgezogen hatte, weigerte sich X weiterhin, den Beitrag wiederherzustellen. Um ihr Recht auf Meinungsfreiheit durchzusetzen, verklagte Su schließlich die Plattform selbst vor dem Landgericht Berlin II – mit Erfolg. Das Gericht verurteilte X, die Löschung zu unterlassen und verwies in seiner umfangreichen Begründung auf die Meinungsfreiheit. Eine strafrechtlich relevante Beleidigung oder eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liege nicht vor. Mit dem Urteil wurden der Plattform für den Fall, dass sie der Unterlassung nicht nachkommt, die gesetzlichen Ordnungsmittel von (Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder Ordnungshaft) angedroht.
Reaktionen zur Entscheidung:
„Gerade angesichts der systematischen Zensur chinesischer Regierungskritiker darf die freie Meinungsäußerung nicht zusätzlich durch Plattformbetreiber eingeschränkt werden“, zeigt sich Yutong Su erleichtert über den Ausgang des Prozesses. „In drei Verfahren musste ich dafür kämpfen, meine Meinung äußern zu können. Auch wenn die Gerichtsverfahren anstrengend waren, bin ich froh, dass ich meine Rechte vor Gericht verteidigen konnte. In China wäre das nicht möglich gewesen.“
Bemerkenswert ist der massive Aufwand, den X betrieben hat, um den Beitrag weiterhin unterdrücken zu können – obwohl Richter zuvor bereits bezweifelt hatten, dass dieser geltendes Recht verletzt.
Rechtsanwalt Dr. Jasper Prigge, der Su in den Verfahren vertreten hat, erklärt hierzu: „Dass ein Konzern wie X derart rigoros gegen eine zulässige Meinungsäußerung vorgeht, ist unverständlich. Rechtlich bedeutsam ist das Verfahren, weil es zeigt, dass Nutzer selbst aktiv werden können, um ihre Meinungsfreiheit durchzusetzen.“
Yutong Su ist eine international bekannte Journalistin und Menschenrechtsaktivistin, die sich seit Jahren kritisch mit der chinesischen Regierung auseinandersetzt. Nach der Enthüllung geheimer Tagebuchaufzeichnungen zum Tiananmen-Massaker 1989 floh sie aus China ins Exil nach Deutschland. Seitdem ist sie Einschüchterungsversuchen und wiederholten Bedrohungen ausgesetzt, setzt ihre Arbeit jedoch weiter fort.
Das Urteil des Landgerichts Berlin ist noch nicht rechtskräftig.
Entscheidung im Volltext
Landgericht Berlin II, Urteil vom 22.04.2025 – 27 O 359/23